Vor einigen Wochen wurden von Vorstand und Aufsichtsrat Joe Yebio und Christian Grießer als kooptierte Vorstände in den Vorstand des SSV Reutlingen Fußball berufen. Beide treten bei den nächsten Vorstandswahlen an. Wir haben uns mit Chris und Joe über den SSV unterhalten und daraus ist ein dreiteiliges Interview entstanden.
Schon bei der letzten Vorstandswahl im Jahr 2020 dankte der amtierende Vorsitzende des SSV Reutlingen Fußball Dr. Karsten Amann einer »umtriebigen Unterstützergruppe« für ihren Einsatz im Hintergrund. Aus dieser Personengruppe heraus wurde das neue Leitbild »Unser SSV steht über dem Einzelnen« entwickelt und somit die Grundlage für die neue Vereins- und Markenidentität gesetzt. Das Projekt, welches damals mit dem Crowdfunding im Frühjahr 2020 den ersten Aufschlag hatte, ist mittlerweile fest in allen Bereiche des Vereins verankert und der Prozess der Strukturierung und der Neuausrichtung schreitet seit dem unentwegt voran.
Nun haben sich aus diesem Team Joe Yebio und Christian Grießer als Bewerber für den Vorstand des SSV Reutlingen Fußball gefunden und sind seit einigen Wochen in den Vorstand kooptiert. Das Duo zeichnet sich maßgeblich für die Professionalisierung unseres Jugendbereichs in den letzten Jahren verantwortlich. Wir haben uns mit den beiden über ihr bisheriges Wirken und ihre zukünftigen Vorstellungen bei unserem SSV unterhalten.
SSV: Herzlichen Glückwunsch zur Aufnahme in den Vorstand des SSV. Stellt euch bitte kurz vor. Wie kamt ihr damals zum SSV und welche Aufgaben habt ihr bisher beim SSV Reutlingen verantwortet?
Yebio: Vielen Dank! Ich bin seit sechseinhalb Jahren beim SSV und begleitete zunächst eine Trainerstelle in der Jugendabteilung. Im Lauf der Jahre kamen neue Aufgabengebiete in der Organisation hinzu. Das fing bei der administrativen Leitung im Juniorenbereich an und mündet heute in der Ressortleitung »Organisation« des gesamten Fußballvereins.
Grießer: Ich bin seit mehr als fünf Jahren im Verein und seitdem als Sportlicher Leiter im Jugend- und übergangsweise im Aktivenbereich tätig. Im vergangenen Sommer kam noch die Leitung der neu gegründeten SSV Akademie hinzu, die ich gemeinsam mit unserem U19 Trainer Maik Stingel führe.
SSV: Wie kam es dazu, dass ihr euch für den Vorstand bewerbt? Was ist eure Motivation?
Yebio: Ein großer Teil der Motivation kommt auf jeden Fall daher, dass uns die Arbeit im Team in den letzten Jahren viel Spaß bereitet hat. Das Gefühl, dass alle an einem Strang ziehen, jeder sein Wissen und seine Expertise einbringt und getreu nach unserem Leitbild, unseren SSV – in allen Bereichen – nach vorne zu bringen, ist die Grundlage für unsere Motivation. Natürlich sind wir uns auch nicht immer einig und Diskussionen sind durchaus auch mal emotionaler, trotzdem haben wir in dieser Zeit gemerkt, dass wir grundsätzlich gleiche Ziele und Visionen haben. Wir schätzen die offene und ehrliche Zusammenarbeit untereinander und dass wir uns immer aufeinander verlassen können. Das Durchhaltevermögen meiner Mitstreiter, den SSV zu einer sauberen und nachhaltig erfolgreichen Institution zu machen, zieht einen automatisch mit.
Grießer: Uns ist es wichtig, die Zukunft des Vereins mit Transparenz, Vertrauen und Offenheit zu gestalten. In den letzten Jahren, vor allem seit Beginn der Pandemie, wurde hinter den Kulissen viel bewegt. Durch die ausgefallenen Spiele bekamen wir die Chance innezuhalten und zu überlegen, was uns neben guten Spielern und Trainern noch weiterbringt. Eines unserer Ziele ist die digitale Transformation der Vereinsstrukturen, um effizienter und effektiver arbeiten zu können. Trotzdem versuchen wir alle mitzunehmen und große personelle Umbrüche, bei denen immer auch Wissen verloren geht, zu vermeiden. Wir haben zwischenzeitlich einen tiefen Einblick in die unterschiedlichen Aufgabengebiete und verspüren großen Tatendrang – beides wollen wir zum Wohle unseres SSV einsetzen. Wir sind in einem ständigen Lernprozess und es läuft natürlich nicht immer alles glatt. Umso mehr wächst ins uns die Erkenntnis, Schlüsselpositionen im Verein möglichst mit internen Lösungen zu besetzen. Vertrauen und gemeinsames Verständnis muss gesund wachsen und braucht seine Zeit zu reifen. Zeitgleich bieten wir unseren Teammitgliedern eine vereinsinterne Perspektive.
SSV: Könnt ihr noch etwas konkreter werden? Welche Themen wollt ihr in euren Bereichen angehen?
Grießer: Uns ist es ein großes Anliegen, die Professionalisierung des sportlichen Bereichs, die wir in der Jugend in den letzten Jahren geschaffen haben, weiter voranzubringen. Dabei ist es unser Ziel, die Spieler so auszubilden, dass sie danach in unserem Aktivenbereich den nächsten Schritt gehen können. Die grundlegenden Fragen dazu lauten: Was ist unsere Spielphilosophie, also wie soll der Fußball des SSV Reutlingen aussehen? Wie gestaltet sich die Spielauffassung, das heißt welche Prinzipien gelten in den verschiedenen Phasen eines Spiels, um unseren Fußball umzusetzen? Auf Basis dieser Fragen können wir dann entscheiden, welche Spielertypen wir brauchen und wie wir unsere eigenen Nachwuchsspieler zielgerichtet ausbilden können. Um möglichst genau zu messen, an welchen Punkten wir unserer Spieler fördern müssen, ist die Ermittlung einer soliden Datenbasis für uns unabdingbar. Dazu gehören neben dem Ausbau der Videoanalyse auch eine einheitliche Leistungsdiagnostik, turnusmäßige Screenings (Medizinchecks), die Erhebung von positionsspezifischen Daten mittels Tracker und so weiter – wir möchten jetzt aber nicht zu sehr ins Detail gehen.
Yebio: Wie gesagt entfallen meine Tätigkeiten insbesondere auf die kaufmännischen Abläufe im Verein. In der Vergangenheit gab es beim SSV nur wenig klar definierte Prozesse und die Aufgaben waren überwiegend papiergebunden. Deshalb haben wir in den letzten rund achtzehn Monaten mit großem Elan die Digitalisierung in sämtlichen Vereinsbereichen vorangetrieben. So haben wir beispielsweise zusammen mit unserem Partner tüit ein ERP-System eingeführt, eine Cloud-Software implementiert und mit Unterstützung der Achalm Treuhand die Buchhaltung weitestgehend digitalisiert. Als überwiegend ehrenamtlich geführter Verein, ist es wichtig, unsere Aufgaben so schlank und so digital wie möglich zu gestalten. Dies erlaubt uns einerseits ortsungebunden zu arbeiten und andererseits gewinnen wir so leichter junge, motivierte Menschen für unser Projekt. Gleichzeitig reduzieren wir mit klar strukturierten und vor allem dokumentierten Prozessen die Abhängigkeiten von Einzelpersonen. Wie im sportlichen Bereich ist es uns auch in den anderen Vereinsbereichen wichtig, mit aktuellen und vor allem verlässlichen Daten zu arbeiten.
SSV: Wo seht ihr den SSV in der nächsten Saison?
Grießer: Wir haben in den letzten fünf Jahren gesehen, dass die eben angesprochenen Professionalisierungsprozesse gewisse Zeit benötigen und Erfolge nicht direkt sichtbar sind. Es wird mit Sicherheit auch den einen oder anderen Rückschlag geben, keine Frage. Wichtig ist es, dranzubleiben, Kontinuität im Wirken zu schaffen und Schnellschüsse aus der Emotion heraus zu vermeiden. Unsere Maxime lautet: Langfristige Entwicklung in Einklang mit kurzfristigem Erfolg zu bringen und das Beste aus den Gegebenheiten zu machen ohne ständig zu jammern. Für uns steht fest, dass es einen Dreiklang zwischen organisatorischen, wirtschaftlichen und sportlichen Erfolg geben muss. Dafür stehen wir gemeinsam mit unseren Mitstreitern. Klar ist aber auch, dass wir in Zukunft keine finanziellen Risiken eingehen dürfen, die den Fortbestand des Vereins gefährden. Unsere genannten Prinzipen und Leitlinien können sich jedoch nur etablieren, wenn man sie konsequent umsetzt. Auch wenn das, egal in welchem der drei Bereiche, manchmal unpopuläre Entscheidungen notwendig macht.
Fortsetzung folgt …